Speaker 1: Morgens um 5.00 Uhr vibriert das Handy von Manuela Rieper. Ihr ist eigentlich schon klar, das kann nichts Gutes heißen. Das Vibrieren ist eine SMS. Manuela Rieper ist Abgeordnete im EU-Parlament. Sie steht vor einer wichtigen Abstimmung. Was hat es mit dieser SMS auf sich? Friederike Wipfler, die CDU-Fraktion, nimmt uns in dieser FKM-Folge mit ins EU-Parlament. Dahin, wo wir gestern aufgehört haben. Ihr hört Teil zwei unserer Doppelfolge zum Thema Alkohol. Friederike hat mit ihren Kolleginnen und Kollegen ein Jahr lang recherchiert. Sie haben rausgefunden, wie die Alkohollobby Wissenschaft und Ärzte beeinflusst, damit wir weiter an das gesunde Glas Rotwein glauben. Diesmal nimmt uns Friederike mit zu politischen Diskussionen. Diesmal nimmt uns Friederike mit zu Politikern, die über das Image von Alkohol mitentscheiden sollen. In der EU und im Bundestag. Auch da mischt die Lobby munter mit. Wie, das erfahrt ihr in dieser Folge. Ihr hört 11.00 KM, der Tagesschau-Podcast. Ein Thema in aller Tiefe. Mein Name ist Viktoria Kobmann. Heute ist Dienstag, der 14. Januar.
Speaker 2: Politik ohne Bier ist möglich, aber sinnlos.
Speaker 1: Den Spruch vom Bayerischen Bauernpräsidenten kennt ihr schon aus Teil 1. Falls nicht, findet ihr die Folge auch dort, wo ihr gerade 11.00 KM hört. Das BR-Rechercheteam war in Berlin beim Oktoberfest der Bayerischen Landesvertretung. Jetzt reisen wir mit Friederike zur EU.
Speaker 3: Wir sind im Frühjahr 2024 in Brüssel im EU-Parlament. Ich wollte mich informieren, eintauchen in diese Welt. Das war ganz spannend, weil es war noch vor der EU-Wahl. Ganz schön viel los auf den Gängen. Ich habe mich zum Thema Alkohol umgehört. Da sind überall so Bildschirme, auf denen die Events des Tages angekündigt werden, die im Parlament stattfinden. Aus dem Augenwinkel habe ich das Wort Bier gelesen. Ich dachte, okay, interessant. Dann war da ein Event über Bierbrauen auf den Kanarischen Inseln. Das wurde organisiert von AB InBev, dem größten Bierhersteller der Welt. Natürlich konnte man die kanarischen Biere im Anschluss sofort probieren. Das war schon so, die können nicht einfach so ins Parlament kommen, sondern die brauchen dafür einen Abgeordneten, der sie einlädt. In dem Fall war das ein spanischer Abgeordneter, der gesagt hat, klar, Veranstaltungen zu Bier von den Kanarischen Inseln könnt ihr gerne machen. Das ist nicht das Einzige dieser Art. Das war ganz interessant, weil das war dann so Nachmittag, 16 Uhr fing das an, dass da so Wägelchen rumgeschoben wurden. Da waren dann die Sektgläser drauf oder die Weingläser. Man hat einfach den Eindruck bekommen, dass hier doch einige Events stattfinden, wo jetzt irgendwie was ausgeschenkt wird.
Speaker 1: Alkohol gehört also auch im EU-Parlament dazu. Abgesehen davon, dass die Abgeordneten auch gerne mal ein Glas Wein oder ein Bier nach Feierabend trinken. Welche Rolle spielt Alkohol im EU-Parlament?
Speaker 3: Alkohol ist nicht nur in Deutschland ein Kulturgut, sondern auch in vielen anderen europäischen Ländern. Wein gibt es in Italien, in Spanien, in Frankreich. Das sind alles so Weinländer. Dann haben wir aber auch Bierländer wie Belgien oder Tschechien. Das sind aber auch wirtschaftliche Interessen der Mitgliedsländer, die dahinterstecken. Es gibt auch Abgeordnete aus diesen Regionen, die sich dafür engagieren, also für das Kulturgut, das Wirtschaftsgut Alkohol. Die Abgeordneten haben sogar eigene Gruppierungen, in denen sie sich treffen, wie so eine Art Club. Da gibt es die Intergruppe Wein oder auch einen Bierclub, einen internen, in den Abgeordnete gehen, die sich eben für Wein oder Bier interessieren. Aber das sind dann nicht wirklich einfach nur irgendwelche Clubs
Speaker 1: oder Kreise, in denen man ein Bierchen trinkt, sondern da geht es schon um wirtschaftliche Interessen und solche Formen von Verknüpfungen. Ja, total.
Speaker 3: Da geht es dann wirklich auch um Treffen mit Wein- und Bierherstellern, Produzenten. Die bekommen da schon auch eine Bühne. Es geht um einen Austausch. Es geht eben um politische Themen, auch um Zölle zum Beispiel. Diese Clubs, die organisieren eben Veranstaltungen, die da stattfinden, die laden Abgeordnete ein. Man spricht untereinander mit anderen Abgeordneten. Die laden Abgeordnete ein. Man spricht untereinander mit Lobbyisten eben auch. Es gibt eben aber auch Lobbyverbände in Brüssel. Zum Beispiel die Brewers of Europe, die europäischen Brauer. Die haben ein Büro, das ist nur ein paar 100 Meter entfernt vom Europäischen Parlament. Interessanterweise hat der Bierclub, also der interne Bierclub der Abgeordneten, teilt sich mit diesen Brewers of Europe, also der Lobbyorganisation, der Bierhersteller, eine Adresse. Also die haben dort sozusagen ihren Schreibtisch, ihre Sekretärin. Das, was die Brewers of Europe fürs Bier sind, das gibt es natürlich auch für den Wein. Das nennt sich das Comité Vin. Das ist eben die europäische Weinlobby. Die haben auch ein Büro in Brüssel. Da sind eben auch Lobbyisten, die für die arbeiten. Die haben einen ganz engen Austausch mit der Intergruppe Wein, also diesem internen Weinglub der Abgeordneten. Die organisieren auch ganz regelmäßig Veranstaltungen zu Weinthemen und tauschen sich da schon rege aus. Es gibt auch noch Spirits Europe. Das ist die Spirituosenlobby. Die sind auch ziemlich groß in Brüssel. Das ist sozusagen der dritte große Verband.
Speaker 1: Spirits Europe, da klingelt es bei mir noch aus Teil 1 dieser Doppelfolge. Das waren noch die, die keine auffälligen Warnhinweise auf alkoholischen Getränken wollten. Solche Warnhinweise hatte das BK-Komité, also das Beating-Cancer-Komité vorgeschlagen, dem auch die ÖDP-Politikerin Manuela Rieper angehört. Das ist die mit der unheilvollen SMS. Zu der SMS kommen wir gleich noch. Das Komité hat einen Bericht geschrieben, den Beating-Cancer-Report. Die Abgeordneten im Komité haben sich darin auf Kompromisse geeinigt. Jetzt muss er nur noch von allen Abgeordneten im Plenum abgestimmt werden. Eigentlich reine Formsache. Es geht dabei nicht um ein Gesetz, aber dieses Papier könnte eine mögliche Gesetzgebung der EU-Kommission beeinflussen. Die Kommission kann nämlich EU-Gesetze auf den Weg bringen, die z.B. Alkoholwerbung einschränken. Außerdem geht es in dem Bericht auch um das Image von Alkohol.
Speaker 4: Ich finde, wir hatten einen guten Kompromiss gefunden. Wir haben uns auch an die Studie der WHO gehalten, die besagt, dass jeglicher Alkoholkonsum schädlich ist, ein Krebsrisikofaktor ist. Ich fand das sehr ausgeglichen.
Speaker 3: Als dieser Bericht aber veröffentlicht wird, werden plötzlich noch ganz andere Leute aufmerksam auf den.
Speaker 4: Dann kam eben dieses Momentum auf, wo dann mit solchen Webseiten, also mit diesen eigens kreierten Webseiten oder mit Briefen, auf diesen Bericht aufmerksam gemacht wurden. Davon haben auch viele Abgeordnete erstmals erfahren,
Speaker 3: weil man ist ja nicht in jedem Bericht drin. Plötzlich werden einige Alkohol-Lobbyorganisationen auf den aufmerksam, und zwar nicht nur Spirits Europe, die ja schon zuvor mitgemischt hatten, sondern jetzt auch noch z.B. eine deutsche Lobbyorganisation. Der Bundesverband Wein und Spirituosen schickt z.B. eine E-Mail an Abgeordnete, und da drin steht, dass sie diese WHO-Formulierung, dass es eben kein sicheres Level an Alkoholkonsum gibt, dass sie das anzweifeln, dass sie bitte für einen Änderungsantrag stimmen sollen, der diese Formulierung abändert. Sie wurden darauf aufmerksam gemacht, dass hier Alkohol verboten werden soll, dass hier die Kultur angegriffen werden soll. Sie sagen auch, dass sich die Abgeordneten bitte vorher zusammen mit einem Südtiroler Abgeordneten abstimmen sollen, der diesen Vorschlag mit eingebracht hat. Das ist Herbert Dorfmann. Herbert Dorfmann aus Südtirol, das ist ja auch eine Weinregion, der kommt auch eben aus einer Winzerfamilie. Und der war vor seiner Zeit als Abgeordneter tatsächlich auch Generalsekretär einer Lobbyorganisation für Wein in Europa. Der hat sozusagen eine alternative Formulierung dann eingebracht als Änderungsantrag. Und wenn man aber im Plenum einen Änderungsantrag einbringen möchte, dann braucht man Unterschriften. Und dieser Herbert Dorfmann, dieser Abgeordnete aus Südtirol, der sammelt jetzt diese Unterschriften. Nicht nur diese Lobbyorganisation wird da aktiv, sondern es gibt noch eine andere, und zwar die Brewers of Europe, das sind die europäischen Brauer. Die machen sogar eine eigene Webseite, die heißt Safe Sports Sponsorship. Also für die ist ein großes Problem in dem BK Report, das da drin steht, sie wollen Sportsponsoring verbieten. Also das heißt so alles Mögliche von Trikot, Werbung oder alles, was so im Stadion, was man sich so vorstellen kann, gesponsert mit Plakate natürlich auch. Und damit haben die ein großes Problem. Und die machen dann so ein Video, was auch sehr pathetisch daherkommt, mit so sehr eindrucksvoller Musik. Sagen sie halt, ja, das ist alles in Gefahr, Fußballvereine sind in Gefahr, wir müssen die schützen, wir müssen den Sport schützen. Und das ist wieder die gleiche Situation. Sie haben wieder einen Änderungsantrag, brauchen Unterschriften dafür. Um Änderungsanträge im Plenum vorzulegen, braucht man eine Anzahl an Abgeordneten. Und die wurde ganz schnell erreicht,
Speaker 4: es wurden sogar über den Soll Abgeordnete, ich glaube, über 150 Abgeordnete, haben das unterzeichnet. Und das war dann schon etwas, worüber man auch in den Fluren besprochen hat. Und dann kommt der Tag der Abstimmung. Was passiert da?
Speaker 1: Was mir immer in Erinnerung bleibt, ist, dass ich an dem Morgen schon eine sehr frühe SMS bekommen habe
Speaker 4: von dem damaligen zuständigen Policy-Advisor. Und der wollte sie darauf hinweisen, dass eine gewisse Formulierung aus dem Becker-Report
Speaker 3: von der Bekker-Regierungsabgeordneten dass eine gewisse Formulierung aus dem Becker-Report, nämlich die der WHO, dass die auf der Kippe steht.
Speaker 1: Also die zentrale Warnung der WHO vor Alkohol soll aus dem Bericht raus.
Speaker 3: Und das wollte er ihr deswegen sagen, weil sie an dem Tag auch gesprochen hat im Parlament zu dem Thema. Und das hat sie dann auch in ihre Rede an dem Tag einfließen lassen.
Speaker 5: Wenn wissenschaftlich belegt ist, dass zum Beispiel jeglicher Alkoholkonsum, also auch der in Maßen, schädlich ist, warum sollen wir nicht davor warnen? Das hindert doch niemanden daran, sein Glas Wein zu trinken.
Speaker 3: Auch Herbert Dorfmann, der Südtiroler Abgeordnete, der kommt auch zu Wort. Der hat ja auch einige Änderungsanträge eingebracht.
Speaker 2: Deshalb bitte ich, diese Änderungsanträge zu unterstützen. Da geht es nicht um Lobbyismus, da geht es nicht um Verwässerung. Da geht es einfach darum, dass wir uns für einen moderaten Konsum einsetzen könnten. Die Prohibitionspolitik hat uns noch nie was gebracht.
Speaker 3: Aber tatsächlich geht es im BK-Report ja gar nicht um ein Verbot von Alkohol. Also es geht ja um Einschränkungen, sag ich mal, aber jetzt nicht um ein Verbot. Und wie geht dann die Abstimmung aus? Tatsächlich ist es am Ende so, dass viele dieser Anträge durchgehen, auch von Herbert Dorfmann. Und dass der ganze BK-Report in Sachen Alkohol ganz schön verwässert wird. Dieser Antrag, dass man die WHO-Formulierung von »There is no safe level of alcohol consumption« abändert, in »The safest level of alcohol consumption is none«, der geht durch. Also das klingt erst mal gleich, diese beiden Formulierungen. Aber wenn man dann genau hinhört, ist es eben doch was anderes, zu sagen, es gibt kein sicheres Level an Alkoholkonsum, als das sicherste Level an Alkoholkonsum ist gar keins. Weil wenn man sagt, das sicherste, dann kann man ja immer noch sagen, es gibt andere sichere Levels. Es gibt vielleicht irgendein anderes sicheres Level an Alkoholkonsum. Was das dann ist, keine Ahnung. Aber das lässt es so ein bisschen offen. Der Teufel steckt da so im Detail. Aber diese Formulierung ist auf jeden Fall hilfreich für die Alkoholunternehmen.
Speaker 4: Warum soll man eine Formulierung von der Weltgesundheitsorganisation verfälschen in dem Sinne? Das zeigt einfach die Nervosität. Und dass man bloß nicht riskieren möchte, dass irgendwas Schädliches drin sein könnte, was dann nachher die Europäische Kommission aufnehmen könnte, um da vielleicht ein Gesetz zu erlassen oder sonst was. Also das ist sehr erstaunlich.
Speaker 1: An diesem Punkt eurer Recherche wird also klar, in Brüssel auf EU-Ebene kann die Lobby ihren Einfluss geltend machen. Mit Erfolg. Und in Deutschland?
Speaker 3: Mein Kollege Alex hat sich erst mal durch alle Koalitionsverträge der letzten Jahre gewühlt und mal speziell nach dem Thema Alkohol gesucht. 98, da ging es schon mal um eine Herabsenkung der Promille-Grenze. Fürs Autofahren? Genau, im Straßenverkehr, das ist dann auch so gekommen. Die wurde dann auf 0,5 runtergesetzt. Ansonsten war wirklich extrem wenig. Aber dann eben 2021 die Ampelregierung, die haben sich was vorgenommen.
Speaker 6: Bei der Alkohol- und Nikotinprävention gab es eine verstärkte Aufklärung mit besonderem Fokus auf...
Speaker 3: Kinder, Jugendliche und schwangere Frauen. Wir haben für diese Doku verschiedene junge Abgeordnete getroffen, die alle damals Teil der Ampelkoalition waren und eben im Bundestag saßen.
Speaker 7: Wir verschärfen die Regelungen für Marketing und Sponsoring bei Alkohol, Nikotin und Cannabis.
Speaker 3: Wir messen Regelungen immer wieder an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und richten daran Maßnahmen zum Gesundheitsschutz aus. Wir haben die interviewt zum Thema Alkohol und sie auch gebeten, das vorzulesen. Dann haben wir gefragt, woher dieser Satz wohl ist. Ich nehme an, aus unserem Wahlprogramm. Die wussten teilweise nicht, dass das aus dem Koalitionsvertrag ist, sondern dachten, dass das aus ihrem Parteiprogramm oder so ist.
Speaker 1: Scheint keine besonders hohe Priorität gehabt zu haben. Man hat ja auch wenig davon mitbekommen. Was hat denn die Ampel in Sachen Alkohol gemacht? Gab es da irgendwelche Gesetze zu?
Speaker 3: Also ein Gesetz zum Thema Alkohol, das gibt es von der Ampel nicht. Wir haben versucht rauszufinden, ob sie an was gearbeitet haben. Dazu hat mein Kollege einen IFG-Antrag, also nach dem Informationsfreiheitsgesetz, gestellt. Das kann jeder machen, im Gesundheitsministerium. Und daraufhin haben wir 76 Seiten Unterlagen bekommen. Da sind so interne E-Mails drin, teilweise geschwärzt. Wir können nicht immer nachvollziehen, von wem diese E-Mail an wen ging. Aber den Inhalt konnten wir dann doch nachvollziehen. Zu Gesetzen gab es eben nichts. Aber was es gab, war eine Studie, die 2022 in Auftrag gegeben wurde. Da sollte es um den Forschungsstand der Assoziationen zwischen Alkoholmarketing, Sponsoring und Alkoholkonsum gehen. Die wollten sich zumindest informieren, was für einen Einfluss Alkoholwerbung hat. Man könnte das jetzt mal so deuten, dass sie sich zumindest informieren wollten. Sie wollten sich informieren, was für einen Einfluss Alkoholwerbung hat. Man könnte das jetzt mal so deuten, dass sie sich zumindest in die Richtung Koalitionsvertrag ein paar Informationen rausfinden wollten.
Speaker 1: Und was ist bei dieser Studie rausgekommen?
Speaker 3: Der Auftrag ging dann an ein Forschungsinstitut in Hamburg. Die haben dann eine Metastudie gemacht. Die haben sich angeguckt, was für Studien gibt es schon so zum Thema Alkoholwerbung und was eine Einschränkung von Alkoholwerbung für Effekte hat. Das Ergebnis gab es dann wenige Monate später. Die kommen dann zu dem Schluss, dass eigentlich nur ein vollständiges Werbeverbot von Alkohol eine wirksame Maßnahme ist. Was macht die Ampelregierung, als sie das Ergebnis dieser Studie bekommt? Wir konnten in den Unterlagen sehen, dass dann darüber diskutiert wurde, was mit diesem Ergebnis passiert. Ursprünglich war geplant, dass diese Studie auf der Webseite des Gesundheitsministeriums veröffentlicht wird. Das ist allerdings nie passiert. Wir konnten in den Unterlagen auch sehen, dass da E-Mails hin und her geschrieben werden. Und dass es eben dort auch darum geht, dass man sich ganz bewusst auch dagegen entscheidet, das zu veröffentlichen. Die haben intern auch geschrieben, dass die Ergebnisse einfach nicht die Forderungen im Koalitionsvertrag stützen, das Alkoholmarketing zu begrenzen. Und da die Ergebnisse das nicht leisten, schlagen sie vor, die Ergebnisse einfach gar nicht zu veröffentlichen. Ich meine, wir können jetzt spekulieren, warum die diese Ergebnisse nicht so veröffentlicht haben wollten. Wir haben dann auch mal nachgefragt. Da gab es dann einen Hin und Her. Es war ein bisschen schwer zu sehen, wer ist jetzt eigentlich für was zuständig. Aber letzten Endes hat uns die Regierung geschrieben, dass die Studie doch veröffentlicht worden sei. Die haben uns dann auch einen Link geschickt. Und das war dann zu einer Fachzeitschrift auf Englisch. Und zwar veröffentlicht von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern selbst und nicht auf der Webseite des Ministeriums, wie das ursprünglich geplant war.
Speaker 1: Und konntet ihr denn in dem Fall auch einen Einfluss recherchieren von der Alkohollobby auf die Bundesregierung?
Speaker 3: Also in dem Fall konnten wir jetzt nicht sagen, hier, das Gesundheitsministerium hat sich ständig mit der Lobbyorganisation XY getroffen. Das ist hier nicht so. Es hat sich eher so der Eindruck ergeben, dass das Thema Alkohol einfach kein Gewinnerthema ist. Dass das Thema Alkohol in Deutschland gar nicht so eine starke Lobby braucht, weil das so verinnerlicht ist auch schon in der Politik, dass sich das einfach keiner so ganz groß auf die Fahne schreiben möchte. Also es sollen möglichst die anderen machen, aber nicht die eigene Partei. Die Alkohollobby in Deutschland ist natürlich trotzdem da. Die sind trotzdem stark, die sind unterwegs. Wir haben auch z.B. mit dem Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds gesprochen, Lothar Ebberts heißt der. Und der hat schon noch ganz offen eigentlich gesagt, was die so machen, nämlich ... Wir haben natürlich ein Interesse daran,
Speaker 6: dass die Freiräume, die wir als Brauwirtschaft, das Gleiche gilt für die Weinwirtschaft, haben, dass diese uns erhalten bleiben. Und eine unangemessene Beschränkung dieser Freiräume unterbleibt. Dazu zählt natürlich auch die Werbung.
Speaker 3: Lothar Ebberts, das ist eine sehr prominente Figur in Deutschland, in der Alkohollobby-Szene sozusagen. Der ist schon sehr lange beim Bayerischen Brauerbund. Eine sehr gut von der Zeit recherchierte Geschichte, die spielt schon vor vielen, vielen Jahren. Nämlich in der Zeit von Sabine Betzing, die war von 2005 bis 2009 Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Sie sind in der Zeit der Alkohollobby, also in der Zeit der Alkohollobby, die war von 2005 bis 2009 Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Sie sind bunt, erfrischend und knallend voll rein. Die neuen Mixgetränke im coolen Design. Das war damals so die Zeit, in der Alkopops eine große Rolle gespielt haben und so Komasaufen ein großes Problem war.
Speaker 8: Kampftrinken bis zur Bewusstlosigkeit ist ein Trend, der sich seit ein paar Jahren abzeichnet. Und der vor allem auch durch die sogenannten Alkopops gefördert wird. Also die süßen Mischgetränke aus Fruchtsäften und Alkohol.
Speaker 1: Da kann ich mich dran erinnern. Genau diese beiden Schlagwörter wurden ganz viel medial diskutiert.
Speaker 3: Das war irgendwie ein großes Ding. Da sind eben auch Jugendliche gestorben. Und sie wollte da was gegen machen. Und sie hat dann auch ein Papier in Auftrag gegeben. Es ging ja um ein nationales Aktionsprogramm zur Alkoholprävention. Und sie hatte da eben auch ambitionierte Ziele. Sie wollte den Alkoholkonsum der Deutschen um zwei Liter verringern. Sie wollte, dass Kinder schwerer an Alkohol kommen. Und dass auch dieses Komasaufen ein Ende bekommt. Sie hatte da auch konkrete Vorschläge. Nämlich, dass man die Alkoholwerbung einschränkt. Dass es keine Bierwerbung mehr bei Sportvereinen gibt. Weder auf Trikots noch am Spielfeldrand. Und eben auch die Promillegrenze absenken. Dieses Papier, das ist an Lothar Ebberts gelangt, noch bevor es veröffentlicht wurde. Also dem Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds.
Speaker 6: Eine unangemessene Beschränkung dieser freien Räume unterbleibt.
Speaker 3: Und der fand das gar nicht gut, was da drin stand. Er hat angefangen, das zu überarbeiten. Hat das ergänzt mit Studien. Und hat das dann an Büros der CSU geschickt. Und auch an andere Verbände. Z.B. den Bayerischen Industrie- und Handelskammertag. Oder den Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband. Und diese Anmerkungen, die er da reingeschrieben hat, die sind so ein bisschen zu so einer Art, laut Zeit, Manifest der bayerischen Wirtschaft geworden. Und das hat für ganz viel Aufruhr gesorgt. Z.B. stand dann in der Sportbild, dass Sabine Betzing die Bundesliga ruinieren möchte. Der Deutsche Fußballbund hat sie dann auch nach Frankfurt eingeladen, um da vorzusprechen. Da ging es eben auch um so ein Sponsoring-Verbot von Alkohol. Ja, es ist sogar so weit gekommen, dass ihr Stammgrieche ihr Hausverbot erteilt hat. Sie durfte nicht mehr ins Restaurant, oder wie?
Speaker 1: Offenbar. Okay. Wegen dieses Papiers, woran sie mitgewirkt hat.
Speaker 3: Sie wurde einfach als die Spaßbremse der Nation auch dann betitelt. Die, die uns hier den Alkohol mies machen möchte, die eben dann auch wieder darum das Sportsponsoring ... Das ist ja auch ein großes Thema im Fußball, die da eben den Sport zerstören möchte. Und das hat eben auch den Gaststätten alles nicht so gut gefallen. Da war sie ja eine junge Politikerin. Und sie ist auch heute noch aktive Politikerin. Sie ist die Vorsitzende der Rheinland-Pfälzischen SPD. Das ist auch bekanntlich ein Weinhersteller-Land. Und so viel redet sie eigentlich nicht mehr über Alkohol. Sie hat damit scheinbar auch abgeschlossen und hat jetzt andere Themen auf ihrer Agenda.
Speaker 1: Was ist aus ihrem Papier geworden?
Speaker 3: Wie wir wissen, hat sich da nichts wirklich durchgesetzt. Es ist kein Gesetz entstanden, das irgendwie Werbung, Alkoholwerbung einschränkt oder strenger reguliert. Das haben wir bis heute nicht. Und aus ihren ursprünglichen Vorhaben ist eigentlich nichts. Da ist inzwischen nichts umgesetzt worden. Untertitel im Auftrag des ZDF für funk, 2018
Speaker 1: Der Mythos vom gesunden Glas Rotwein aus Folge 1. Der abgeschwächte BK-Report zum Thema Krebs. Die Studie im Auftrag der Ampel-Koalition. Der vergebliche Einsatz von Sabine Betzing vor rund 15 Jahren. Die Geschichten haben ja alle was gemeinsam. Am Ende setzen sich die durch, die keine Lust auf große Alkoholeinschränkungen haben. Auch wenn die wissenschaftlichen Fakten eigentlich in eine andere Richtung deuten. Warum kann die Lobby ihren Einfluss derart geltend machen?
Speaker 3: Ich glaube, es gibt zwei große Faktoren. Der eine ist tatsächlich, dass wir einfach dazu neigen, die positiven Seiten lieber zu mögen als die negativen. Ich glaube, wir hören einfach lieber, dass das Glas Rotwein gesund ist, als dass es ungesund ist. Das ist ein bisschen psychologisch. Weil die Informationen sind ja da draußen. Wenn man sie wissen möchte, sind sie verfügbar. Es ist seit Jahrzehnten eigentlich klar, dass Alkohol und Krebs im Zusammenhang stehen. Und der andere Faktor ist einfach, dass die Alkoholindustrie eine sehr starke Lobby hat. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene und weltweit. Für die ist es sehr wichtig, dass weiterhin Alkohol getrunken wird. Weil das ist ihr Kapital. Wenn wir zu viel über Alkohol nachdenken, wenn wir zu viel über die gesundheitlichen Folgen wissen und nicht mehr so schöne Werbung sehen können, in der Alkohol ein besonderes Lebensgefühl verkörpert, dann werden die aktiv und versuchen, Vorstöße dagegen schon im Keim zu ersticken. Da geht es manchmal nur um eine kleine Formulierung, in irgendeinem unwichtigen Bericht. Aber die setzen schon sehr früh an, weil sie wissen, was ihnen zur Gefahr werden könnte. Und die größte Gefahr für die Alkoholindustrie, das schreiben die übrigens auch in ihren Geschäftsberichten, ist, dass das Image von Alkohol sich verschlechtert.
Speaker 1: Jetzt haben wir ja demnächst Neuwahlen. Die letzte Bundesregierung hatte eine mögliche Werbeeinschränkung für Alkohol, sogar im Koalitionsvertrag stehen, ist aber nichts draus geworden. Wie sieht es in Zukunft aus? Ist da abzusehen, ob sich eine künftige Bundesregierung noch mal an dem Thema versucht?
Speaker 3: Es ist tatsächlich so, dass sie nahezu den gleichen Text wie im Koalitionsvertrag wieder in ihr Wahlprogramm geschrieben hat. Die wollen wieder strengere Regulierungen und Werbebeschränkungen auch für Alkohol. Auch Die Linke hat sich da was vorgenommen. Die wollen ein Werbe- und Sponsoringverbot für Alkohol. Aber bei den anderen Parteien findet sich dazu nichts. Was ist dein Eindruck?
Speaker 1: Tut sich demnächst in Deutschland was rund ums Thema Alkohol? Es sieht eher nicht so aus.
Speaker 3: Zum Thema Alkohol, man merkt einfach, das ist nicht so ein Gewinnerthema. Damit macht man sich nicht beliebt. Das wird nicht als so wichtig wahrgenommen. Zum anderen hat Alkohol einfach diesen Kulturgutstatus. Der ist einfach sehr, sehr stark in Deutschland verankert. Als Wein- und Bier-Nation, als großen Wirtschaftsfaktor auch. Es hat aber eben auch negative Seiten. Zwar haben wir da Steuereinnahmen von rund drei Milliarden Euro. Aber andererseits gibt es auch Folgekosten, die durch Sucht entstehen, die durch Unfälle entstehen, aber auch durch indirekte Kosten, dadurch, dass Leute vielleicht frühzeitig verrentet werden müssen und eben nicht mehr arbeiten können. Das sind rund 57 Milliarden Euro im Jahr. Wenn man das mal gegenüberstellt, das ist dann schon krass.
Speaker 1: Friederike, wenn wir insgesamt draufschauen auf das, was ihr im vergangenen Jahr alles zum Thema Alkohol recherchiert habt, was nimmst du da persönlich mit?
Speaker 3: Ich finde es krass, wenn man sich mal so lange mit dem Thema beschäftigt, wie präsent Alkohol doch im Alltag ist. Das ist mir seitdem viel, viel mehr aufgefallen, wie oft doch einfach ohne nachzudenken getrunken wird. Das ist auf jeden Fall, was sich auch bei mir persönlich geändert hat, dass ich einfach viel bewusster trinke, einfach seit ich das alles weiß. Auch eben diese Sache mit dem Brustkrebs, die ich überhaupt nicht auf dem Schirm hatte. Oder dieser Mythos vom gesunden Glas Rotwein, der doch noch in vielen Köpfen drin ist. Das merkt man dann schnell bei so einem Gespräch, auf einer Party oder so, dass das doch noch existiert. Wobei jetzt eben überhaupt nicht das Ziel dieser Doku war oder ist, dass wir jetzt sagen, man trinkt nicht mehr oder aufzutrinken. Ich glaube, was uns in der Doku vor allem wichtig war, ist, dass wir alle Informationen haben. Dass wir wissen, was wir da trinken und konsumieren. Und über die Folgen auch Bescheid wissen. Und dann einfach auch in der Lage sind, unsere eigenen Entscheidungen zu treffen.
Speaker 1: Friederike Wipfler hat ein Jahr lang zum Thema Alkohol recherchiert. Zusammen mit Julia Schweinberger, Samy Kamis, Lennart Bedford-Strohm und Alexander Nabert von BR Recherche. Ihre Doku-Reihe findet ihr in der ARD Mediathek. Sie heißt Dirty Little Secrets, warum wir immer weiter trinken. Den Link dazu legen wir euch in die Shownotes. Autor dieser Folge ist Lukas Waschbüsch. Mitgearbeitet hat Kasper von Au. Produktion Jakob Böttner, Konrad Winkler, Jan Stahlmann und Hanna Brünjes. Redaktionsleitung Lena Gürtler und Fumiko Lipp. FKM ist eine Produktion von BR24 und NDR Info. Mein Name ist Viktoria Kobmann. Wir hören uns morgen wieder. Tschüss.
Speaker 4: Untertitel im Auftrag des ZDF für funk, 2017
Speaker 1: Und vorher noch ein Podcast-Tipp für euch in Die Frage. Sucht meine BR-Kollegin Lisa-Sophie Scheure nach Antworten auf komplizierte Fragen. Auch zum Thema Alkohol. Vor ein paar Monaten ging Lisa-Sophie zur Suchtberatung und hat dort einen Suchtberater getroffen. Haben wir alle ein Alkoholproblem? Und was können wir tun, wenn wir aufhören wollen? Die Frage verlinken wir euch in den Shownotes.
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