Gedenken an Magdeburger Weihnachtsmarktanschlag
Vier Wochen vor Weihnachten 2016 raste ein Auto durch den Magdeburger Weihnachtsmarkt. Heute wird der Opfer mit einer Kranzniederlegung gedacht.
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Gedenken an die Opfer des Anschlags in Magdeburg
Added on 01/27/2025
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Speaker 1: Knapp 4 Wochen kurz vor Weihnachten schockte eine unfassbare Tat in Magdeburg das ganze Land. Ein Auto raste durch die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt der Stadt. 6 Menschen starben, fast 300 wurden verletzt. Heute wird erneut der Opfer gedacht. U.a. soll Bundespräsident Steinmeier gemeinsam mit Sachsen-Anhaltsminister Präsident Haseloff am Gedenkort an der Johanniskirche einen Kranz niederlegen.

Speaker 2: Noch einmal an den Ort gehen, an dem alles passiert ist. Das ist Thomas Eicherts Weg, das Erlebte zu bewältigen.

Speaker 3: Von 19 Uhr bis 21 Uhr waren die schlimmsten Stunden, die ich bis dahin erlebt hatte. Wir hatten hier vorne an den Stehtüchern unser Essen zu uns genommen. Ich habe den Autofahrer direkt auf mich drauf zukommen sehen. Konnte, Glück ist, schick wegspringen. Mit Bürger, 2 Passanten konnten nicht mehr wegspringen, wurden umgefahren.

Speaker 2: Thomas Eichert ist dankbar für die professionelle Hilfe durch Seelsorger und Psychologen, die ihm nach dem Anschlag zur Seite stehen. Mehr als 600 Opfer sind direkt oder indirekt vom Anschlag betroffen. Für sie wurden bisher 2,5 Mio. Euro gespendet. Das Geld, so hat es der Stadtrat gestern beschlossen, soll nun schnellstmöglich verteilt werden. Seelsorgerin Corinna Pagels glaubt,

Speaker 4: dass die Opfer einen finanziellen Fokus haben. Weil sie mit Verlusten, mit Schäden an ihrem Körper, in ihrem Leben zu tun haben. Das wird sicherlich erst nach und nach, wenn man merkt, dass im Leben finanziell etwas fehlt.

Speaker 2: Auch die Bundesregierung will Opfer mit einem Härtefonds finanziell entschädigen. Thomas Eichert kann sich vorstellen, dieses Angebot anzunehmen. Aber geht es ihm darum, in diesem Jahr wieder ohne Angst auf den Weihnachtsmarkt gehen zu können.

Speaker 1: Weiter also große Trauer und Fassungslosigkeit in Magdeburg. Aber auch die Frage, wie konnte der Anschlag überhaupt passieren? War er zu verhindern? Dazu könnte es jetzt neue Erkenntnisse geben. Darüber spreche ich mit Christoph Mestmacher aus dem Hauptstadtstudio in Berlin. Christoph Neu ist ja, es gibt einen vertraulichen Bericht vom Kriminalamt an den Bundestag, der aufhorchen lässt. Was genau hat es mit dem Papier auf sich und was steht da drin?

Speaker 5: Dieser vertrauliche Bericht, der auch dem Hauptstadtstudio hier in Berlin, der ARD, vorliegt, listet insgesamt 105 Vorgänge auf, in denen der Todesfahrer von Magdeburg aktenkundig geworden ist. Diese Chronologie beginnt relativ lapidar mit dem Termin der Einreise im Jahr 2006. Dann kommt aber sieben Jahre später schon ein erstes Ausrufungszeichen, so nenne ich das mal. Da ging es um seine Arztzulassung in Rostock. Da sollte er ja Unterlagen vorlegen, so legt die Chronologie dar. Darauf hat er sehr unwirsch reagiert und hat dann auch mit einem Attentat gedroht, was internationale Beachtung finde. Daraufhin haben die Behörden auch reagiert. Es gab eine Hausdurchsuchung. Der Gesundheitsdienst Mecklenburg-Vorpommern hat eine psychische Untersuchung vorgeschlagen. Ob die stattgefunden hat, ist unbekannt. Und er wurde verurteilt zu 90 Tagessätzen an 10 Euro und erhielt auch einen Eintrag ins Bundeszentralregister. Trotzdem steigt die Zahl der Einträge der Behördenkontakte teils auch mit sehr wirren und nicht leicht zu verstehenen Drohungen immer weiter an. Und dennoch erhält er dann im Jahr 2016, glaube ich, Asyl und wird hier als Flüchtling, als Schutzbedürftiger anerkannt, weil er ja ein Regimekritiker des Regimes in Saudi-Arabien ist. Diese Chronologie mit den 105 Vorfällen, nahezu jede Bundesbehörde hat sich mit diesem Herrn beschäftigt, auch bis hin zum Bundesamt für Verfassungsschutz. Auch das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium des Inneren hat regelmäßig Mails über Kontaktformulare erhalten. Beim Bundeskanzleramt ging eine Drohung ein. Er wollte sich eine Waffe besorgen und dann auch noch mal die Richter in Rostock sich vornehmen, wenn ich das mal etwas lapidar übersetze. Und das nimmt in einem größeren Takt zu. Auch ausländische Nachrichtendienste melden sich in Deutschland. Da geht es dann um den Vorhalt der Schleuserkriminalität. Der Täter von Magdeburg war ja ein Kritiker des Regimes in Saudi-Arabien, hat sich als Fluchthelfer, vor allem für saudi-arabische Frauen, geriert. Und es werden wie gesagt Straftaten oder Nötigungen und auch andere Vergehen aufgezählt. Und die Zahl von 105 ist schon gewaltig.

Speaker 1: Also die Behörden waren viel mehr mit Taleb A befasst vor diesem Anschlag, als wir bisher dachten. Und trotzdem hatte ihn man ja nicht auf dem Schirm, als jemanden, der einen Attentat begehen könnte. Wie kann das denn sein?

Speaker 5: Das ist noch schwierig jetzt genau abzuleiten. Ich vermute mal, dass es unterschiedliche Ursachen gab. Es gibt eine mangelnde Vernetzung unter den unterschiedlichen Behörden. Und dann ist es offenbar so gewesen, dass auch das Bundesamt für Verfassungsschutz ihn nicht richtig greift, nicht richtig einordnen konnte. Ein Islamist ist er nicht, war ja ein Regimekritiker und auch ein Kritiker des Islams. Und der schiere Tatbestand als Extremist, insofern ist der Täter von Magdeburg, der dieses fürchterliche Attentat verübt hat auf dem Weihnachtsmarkt, im Prinzip immer weiter in eine sich selbst radikalisierende Spirale geraten. Auch seine Abneigung gegen den deutschen Staat, weil er sich dort nicht richtig beachtet, er in seinen Anliegen fühlte, das nahm zu, nahm zu, nahm zu, bis hin zu der fürchterlichen Bluttat von Magdeburg.

Speaker 1: Also auch wenn man nicht genügend Hinweise auf ihn als Gefährder hatte, wie groß waren denn die Bemühungen überhaupt herauszufinden, ob oder was mit diesem Mann nicht stimmt?

Speaker 5: Es gab Gefährderansprachen, da ist die Polizei vorstellig geworden. Es gab, wie gesagt, auch eine Wohnungsdurchsuchung und den Vorschlag, dass man ihn psychologisch begutachten muss. Jedenfalls wollte das der Landkreis Mecklenburg-Vorpommern. Da ist es unklar, ob diese Begutachtung überhaupt stattgefunden hat. Also man hatte ihn schon auf dem Radarschirm, er war kein Unbekannter, es gab viele Anfragen, aber es gab letztlich keine Schlussfolgerung, ihn wirklich als jemanden einzustufen, der hochgradig gefährlich ist.

Speaker 1: Christoph, wissen wir denn jetzt was Neues? Also setzt sich durch diese neuen Informationen ein Bild über das Tätermotiv zusammen?

Speaker 5: Ja, er hat sich zunehmend selbst radikalisiert und kann möglicherweise auch davon ausgehen, dass er in ein Wahn geraten ist, hat sich auch einen Kleinkrieg mit anderen Flüchtlingsorganisationen via Anzeigen geliefert. Er ist verurteilt worden kurz vor dem Attentat wegen des missbräuchlichen Nutzes des Notrufes. Also hat er einfach den Notruf missbraucht. Auch dafür hat er eine Geldstrafe erhalten. Das Problem an der Geschichte ist, glaube ich, dass es nicht an mangelnden Ermittlungsbefugnissen mangelte und mangelnde Ermittlungsbeförderungen, das wird ja erregt diskutiert, ob die ausgeweitet werden müssen. Dafür sollte auch das Attentat von Magdeburg herangezogen werden. Das, glaube ich, hätte den Attentätern nicht verhindert, sondern dass man zielgerichteter die Informationen zusammenfasst und auch das möglicherweise wirre bündelt. Daran scheint es mir gemangelt zu haben. Der Innenausschuss, der gerade den vertraulichen Bericht berät in einer Sitzung, hat gesagt, wer jetzt weitere Befugnisse fordere, das sei ein Ablenkungsmanöver. Trotzdem müsse jeder Stein noch mal umgedreht werden. Ich glaube, dieser Prozess wird noch etwas dauern, bis es noch mehr Klarheit gibt zur Motivlage und wo möglicherweise ein Versagen bei den Behörden lag.

Speaker 1: Wie geht es weiter? Welche Konsequenzen folgen aus besagtem BKA-Papier?

Speaker 5: Da müssen wir gucken, was der Innenausschuss und was nach der Bundestagswahl möglicherweise an Gesetzesinitiativen kommt. Es gibt ein Thema, das angesprochen worden ist. Das ist ein System, das Informationen vernetzt, von einer nicht unumstrittenen Tech-Firma aus Amerika. Palantir heißt die. Das System, das in Deutschland genutzt wurde, heißt Vera. Da gab es heute einige Hinweise von der Union, die diese Nutzung des Systems Vera, also eines kompakten Datenabgleichssystems, offenbar untersagt haben. Diese Debatte wird sich mit Sicherheit nach der Sitzung des Innenausschusses auch in den nächsten Tagen noch fortsetzen.

Speaker 1: Vielen Dank, Christoph Mestmacher nach Berlin.

Speaker 5: Sehr gerne.

Speaker 2: Copyright Untertitel im Auftrag des ZDF, 2021

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