Schweizer Wirtschaft trotzt Krise: Ursachen und Zukunft
Die Schweiz meistert wirtschaftliche Herausforderungen besser als Deutschland dank stabiler Währung und liberalem Arbeitsmarkt. Einblick von Thomas Gitzel.
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Schweizer Wirtschaft Was läuft besser als in Deutschland
Added on 01/27/2025
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Speaker 1: Die schweizerische Wirtschaft und die deutsche Wirtschaft, die sind eng miteinander verflochten. Wie in Österreich liegt das unter anderem auch an den Autozulieferern, die eben an der deutschen Autoindustrie hängen. Deshalb galt eigentlich immer, wenn Deutschland hustet, bekommt die Schweiz eine Erkältung. Diesmal scheint sich die Schweiz aber ganz gut zu schlagen. Warum das so ist, die Frage stelle ich an den Chefökonom der VP-Bank, Thomas Gitzel. Schönen guten Morgen, schön, dass Sie hier sind, Herr Gitzel. Wie ist die Schweiz überhaupt wirtschaftlich aufgestellt? Da scheint es nicht solche Krisenstimmen zu geben wie bei uns.

Speaker 2: Es trägt sich aber ganz grundsätzlich, kann sich die Schweiz der schwachen weltwirtschaftlichen Entwicklung derzeit nicht vollkommen entziehen. Auch in der Schweiz wachsen derzeit die Konjunkturbäume nicht in den Himmel. Aber was wir natürlich festhalten müssen und konstatieren müssen, die Schweiz schlägt sich im Vergleich zu Deutschland derzeit wesentlich besser. Das hat zyklische Gründe, das hat aber auch strukturelle Gründe. Und zu den zyklischen Gründen gehören, Sie hatten es angesprochen, derzeit vor allen Dingen auch die andere Branchenstruktur. Es gibt zwei Branchen, die sehr bedeutend sind für die Schweiz, allen voran die Pharmaindustrie und auch die Uhrenindustrie. Beide Industrien sind konjunkturinsensitiv. Medikamente brauche ich immer, auch wenn die Konjunktur schlecht läuft. Und die Uhrenindustrie ist im Luxussegment aktiv und klassischerweise ist Luxus weniger konjunktursensitiv. Und das hilft im Moment der Schweiz. Es kommt noch ein weiterer Faktor hinzu. Während der Corona-Pandemie hat der Schweizer Franken stark aufgewertet. Die Schweiz hat mit dem Schweizer Franken eine sehr, sehr robuste Währung, die derzeit hilft. Die Schweiz hat durch den starken Schweizer Franken keinen Inflationsschock erlitten wie beispielsweise Deutschland. Der starke Schweizer Franken hat Importe vergünstigt und damit hatten die Schweizer Bürger weniger Kaufkraftentzug wie beispielsweise ein deutscher Konsument.

Speaker 1: Wie sieht es denn strukturell aus? Da scheint einiges anders zu sein. Auf dem Arbeitsmarkt kommt das der Schweizer Wirtschaft entgegen?

Speaker 2: Ich glaube, der Arbeitsmarkt spielt eine Schlüsselrolle. Zum einen arbeiten die Schweizer deutlich mehr als der durchschnittliche Deutsche. Wir unterhalten uns hier wohlgemerkt über 200 Arbeitsstunden, was ein durchschnittlicher Schweizer mehr arbeitet als ein durchschnittlicher Deutscher. Das ist gewaltig, die Arbeitssumme 200 im Jahr. Das ist wirklich eine gewaltige Zahl. Weniger Urlaub und eine höhere Wochenarbeitszeit gehören dazu. Aber auch die Schweiz ist geprägt von einer sehr liberalen Gesetzgebung. Das schlägt sich nieder, beispielsweise in einem sehr liberalen Kündigungsschutz. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können zum Monatsende ohne Angabe von Gründen kündigen. Für Deutschland undenkbar. Kündigungsschutz ist in Deutschland eine heilige Kuh. Führt aber im Umkehrschluss dazu, dass der Schweizer Arbeitsmarkt wesentlich durchlässiger ist und ich am Schweizer Arbeitsmarkt eine sehr hohe Dynamik sehe. Das führt dann beispielsweise zu einer Vollbeschäftigungssituation in der Schweiz. Durch diese liberale Gesetzgebung habe ich eine viel höhere Dynamik am Schweizer Arbeitsmarkt.

Speaker 1: Die Zeit läuft uns ein bisschen davon. Wir müssen noch kurz darauf schauen, was die Woche für uns bringt. Hier für den Aktienmarkt, was ist zu erwarten?

Speaker 2: Da gibt es spannende Zahlen diese Woche. Allen voran die Inflationsdaten aus den USA. Wir hatten jetzt vergangenen Freitag gesehen einen sehr robusten US-amerikanischen Arbeitsmarkt. Da kamen jetzt am Markt schon Sorgen. Die Fed hält sich jetzt mit weiteren Zinssenkungen zurück. Tatsächlich ist es nur noch eine Zinssenkung für das Jahr 2025 durch die Fed eingepreist. Jetzt bekommen wir Inflationsdaten für den Dezember. Die werden nach oben gehen. Das wird diese Zinsängste vermutlich einmal mehr schüren. Eine wichtige Zahl für den Aktienmarkt global betrachtet. Und dann eine sehr interessante Zahl für uns Deutsche. Die erste Schätzung des Gesamtjahreswachstums 2024 steht dann auch noch auf der Agenda.

Speaker 1: Die Inflationsdaten, schauen wir da nochmal in die Schweiz. Warum haben die Schweizer das Problem nicht oder nicht so sehr?

Speaker 2: Der Hall, vor allem dieser starke Schweizer Franken, der während der Corona-Pandemie so deutlich aufgewertet hat, hat importierte Güter vergünstigt. Und die Schweiz hat mittlerweile ein Luxusproblem, möchte ich mal sagen. Die Inflationsraten sind nämlich für die Schweizerische Nationalbank schon ein Stück weit zu tief. Wir unterhalten uns über eine Inflationsrate von 0,6%. Das alles ist zurückzuführen auf diesen sehr robusten und starken Schweizer Franken, der eben beispielsweise den Import von Energiegütern vergünstigt. Und damit ist die Inflation eben deutlich geringer als beispielsweise in Deutschland.

Speaker 1: Welche Möglichkeit hat da die Notenbank noch zu reagieren? Ja, das ist interessant. Es gibt nicht mehr so viel Luft nach unten.

Speaker 2: Richtig. Also der Nullzins liegt bereits schon wieder in Schlagdistanz. Und ich glaube, wir werden dann zum Jahresende, wenn nicht gar in den Hauptmonaten, bereits schon wieder in der Schweiz ein Nullzinsniveau vorfinden. Also sehr interessant.

Speaker 1: Ein Trend, den wir gerade beobachten, quasi ein Anti-Wokeness-Trend. Immer mehr Unternehmen, vor allem in den USA, treten aus, aus Klimabündnissen, JP Morgan etwa, Blackrock, aber auch Firmen wie Meta oder McDonalds. Was hat es damit auf sich? Hängt das mit Trump zusammen?

Speaker 2: Trump ist vielleicht der Auslöser, aber nicht die eigentliche Ursache. Ich glaube, diese Klimaschutzmaßnahmen, ich glaube, die sind gut und wichtig. Das erkennt ja auch die Industrie. Nur die Industrie möchte ihren eigenen Weg gehen. Jede Klimaschutzmaßnahme des Staates ist mit Regulierung verbunden, mit Bürokratie. Und die Unternehmen werden dieser Bürokratie jetzt überdrüssig, weil eben sie in ihrem unternehmischen Freiraum eingeengt werden. Und wir haben vielleicht jetzt in der Vergangenheit, das ist auch meine persönliche Einschätzung, den Bogen überspannt. Wir sehen es ja auch als Hauptproblem in der deutschen Industrie. Unter anderem die überbordende Bürokratie. Und die Unternehmen möchten jetzt sich dieser Fesseln entledigen und ihren eigenen Weg gehen und wieder mehr unternehmischere Freiheit genießen.

Speaker 1: Also Sie sehen das nicht unbedingt mit Sorge?

Speaker 2: Ich sehe das nicht unbedingt mit Sorge, sondern es ist ja auch eine Chance, den Marktkräften ein höheres Gewicht zu geben, als wir es jetzt in den vergangenen Jahren gesehen haben.

Speaker 1: Danke, Thomas Gitzel von der VfP Bank. Danke, dass Sie hier waren. Vielen Dank.

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