Waffenruhe im Gazastreifen: Auswirkungen und Herausforderungen
Die Waffenruhe zwischen Israel und Hamas beginnt trotz Verzögerungen. Politische und humanitäre Auswirkungen, sowie geplante Geisel- und Gefangenenaustausch beleuchtet.
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Waffenruhe im Gazastreifen hat mit Verspätung begonnen
Added on 01/27/2025
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Speaker 1: Der Sonntag, hier bei Tagesschau24, dem Nachrichtensender der ARD. Es ist der Sonntag des Beginns der Waffenruhe für den Gazastreifen. Darüber berichten wir jetzt ausführlich. Die Waffenruhe zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas hat am Vormittag mit Verspätung begonnen. Sie sei um 10.15 Uhr deutscher Zeit in Kraft getreten. Das teilte das Büro von Premierminister Netanjahu mit. Ursprünglich sollte das Abkommen schon ab 7.30 Uhr umgesetzt werden. Zu der Verzögerung kam es, weil die Hamas später als gefordert die Namen der drei Geiseln übermittelt hatte, die heute freigelassen werden sollen. Die Armee hatte deshalb ihre Angriffe auch zunächst fortgesetzt. Die Waffenruhe hat auch innenpolitische Konsequenzen. Der rechtsextreme Polizeiminister Ben Gwir reichte seinen Rücktritt ein wie ebenso zwei weitere Minister seiner Partei. Sie sind gegen das Abkommen und hatten diesen Schritt bereits angedroht. In der Nähe der Grenze zum Gazastreifen. Jetzt ist die Waffenruhe also in Kraft. Ist es bei dir im Hintergrund im Gazastreifen dann ruhig? Wird die Waffenruhe eingehalten?

Speaker 2: Seit 15 Minuten ist es ruhig, zumindest deutlich ruhiger, als wir das am Morgen hier beobachten konnten. Wir haben kurz vor dieser Waffenruhe, die seit hier um 11.15 Uhr eingetreten ist, noch einmal schweren israelischen Beschuss im Gazastreifen gesehen. Kampfdrohnen, Explosionen, die wir von hier beobachten und hören konnten. Jetzt scheint es ruhig zu sein. Gleichzeitig hat die Hamas eben dann auch die geforderte Liste vorgelegt. Das heißt, die drei Namen jener Geiseln, die heute freigelassen werden sollen, am ersten Tag dieser Waffenruhe, stehen fest. Das handelt sich dabei um drei Frauen. Und bislang ist das, was wir hier bestätigen und sehen können.

Speaker 1: Gibt es schon eine Erklärung dafür, warum diese Liste mit den drei Namen zunächst nicht nach Israel geschickt wurde, was ja für eine Verzögerung der Waffenruhe gesorgt hat?

Speaker 2: Die Hamas hat sich dazu bereits vor Ablauf der Frist, das war ja 8.30 Uhr Ortszeit, geäußert und hat auf technische Gründe verwiesen, die man vor Ort habe. Die Hamas sagt, dass die Situation im Gazastreifen schwierig ist und Namen deswegen schwer zu ermitteln sind. Israel hält das für eine Taktik, um sozusagen den Druck aufrechtzuerhalten. Hat aber gleichzeitig aus meiner Sicht klargemacht, um 8.30 Uhr, mit den massiven Luftangriffen, dass es eben die Waffenruhe erst einhalten wird, wenn die Liste vorliegt.

Speaker 1: So wieder Druck und Gegendruck. Lass uns doch noch mal zusammenfassen. Wie genau sieht die Vereinbarung zur Waffenruhe jetzt aus?

Speaker 2: Es ist eine erste Phase verhandelt. Die soll 42 Tage dauern. In dieser Zeit gilt eine Waffenruhe. Und da sollen insgesamt 33 Geiseln aus den Händen Hamas freigelassen werden. Im Gegenzug für etwa 1.900 palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen. Und gleichzeitig will man oder will Israel mit einem ersten vorsichtigen Rückzug des Militärs im Gazastreifen beginnen. Entscheidend wird sein, ob man es schafft, in dieser ersten Phase neu zu verhandeln. Nämlich darüber, wie es danach weitergehen soll. Ob es danach einen weiteren Austausch von Geiseln geben wird, einen weiteren Rückzug des israelischen Militärs. Und ob man dann für eine Phase 3 sich sogar irgendwie einigen kann auf die Frage, wie der Wiederaufbau gelingt. Und vor allem, wer den Gazastreifen in Zukunft regieren soll.

Speaker 1: Heute sollen ja auch die ersten Geiseln freigelassen werden, wenn dann die Angriffe für die Gegenseitigen ausbleiben. Wie soll diese Freilassung jetzt ablaufen?

Speaker 2: Es ist wenig darüber bekannt. Wir haben im Vorfeld mit Traumaexperten hier gesprochen, die schon beim letzten Geiselfreilassen diese Menschen betreut haben. Die haben gesagt, der Fehler damals war, dass es viel zu öffentlich passiert ist. Und wir gehen davon aus, dass es diesmal kaum Bilder geben wird. Weder von den Familien, die ihre Angehörigen sozusagen willkommen heißen, noch von der Behandlung, noch von dem Freilassen, von dem Moment des Freilassens. Möglicherweise wird das internationale Rote Kreuz diesen Vorgang wieder überwachen. Krankenhäuser sind darauf vorbereitet, diese Menschen aufzunehmen. Alle gehen davon aus, dass sie in einer deutlich schlechteren Verfassung sein werden als die Geiseln, die zuletzt freikamen. Aber noch einmal, zum Schutz der Geiseln wird wenig darüber bekannt werden, wie genau dieses Freilassen und die ersten Momente in Israel aussehen werden.

Speaker 1: Wir springen noch mal in die israelische Innenpolitik. Denn heute Morgen haben dort ja 3 Minister aus Netanjahus Regierung ihren Rücktritt angekündigt, weil sie mit der Waffenruhe und insbesondere der Freilassung palästinensischer Häftlinge, die ja im Gegenzug zur Freilassung von Geiseln stattfindet, nicht einverstanden sind. Bricht Netanjahus Regierung jetzt zusammen?

Speaker 2: Nein, vorerst nicht. Netanjahu könnte zunächst mal weiterregieren in einer Minderheitenregierung. Für ihn wird es kritisch, wenn voraussichtlich im März oder April der Haushalt konsolidiert und beschlossen werden soll. Dann braucht er eine Mehrheit. Erst dann könnte die Regierung tatsächlich zerbrechen. Ob die Minister, die jetzt zurückgetreten sind, wirklich dann dabei bleiben, das ist die eine Frage. Die andere Frage ist auch, was Netanjahu jenen Ministern geboten hat, z.B. dem rechtsextremen Finanzminister Smotritsch, der ebenfalls gedroht hatte, auszusteigen. Was er ihnen geboten hat, wenn sie es nicht tun. Da steht in israelischen Medien schon auch, dass eine Art Versprechen oder zumindest Ankündigung Netanjahus im Raum steht, dass der Krieg nach Ablauf der 1. Phase wieder aufgenommen wird. Das müssen wir abwarten. Momentan ist Netanjahu geschwächt, aber er kann weiter regieren.

Speaker 1: Also innen- und außenpolitische Zusammenhänge eng miteinander verwoben in diesem Konflikt. Wer überwacht denn jetzt die Einhaltung der Waffenruhe?

Speaker 2: Es gibt eine Art Kommission, zu der gehören auch Vertreter Ägyptens, der Vereinigten Staaten, die wohl aus Kairo diese 1. Phase überwachen soll. Und möglicherweise auch als externer Beobachter fungieren soll, wenn es zu Verstößen kommen sollte. Die Frage ist ja, ob die Hamas den Vereinbarungen dieser Geisel nun freilässt. Gleichzeitig aber auch, ob Israel zu seinen Rückzugsplänen steht und die palästinensischen Gefangenen wie vereinbart freilässt.

Speaker 1: Wie groß kann da die Toleranz sein? Wird beim 1. Drohnenangriff sofort alles beendet? Das werden wir abwarten müssen.

Speaker 2: Ich gehe nicht davon aus, dass die Hamas nun in dieser Zeit Raketen aus dem Gazastreifen Richtung Israel schießt. Das hat aufgrund ihrer zunehmenden militärischen Schwäche in letzter Zeit massiv abgenommen. Ich gehe auch nicht davon aus, dass Israel nun Ziele im Gazastreifen weiter angreifen wird. Die Frage ist, was passiert bei Vorgängen, die nicht planbar sind. Z.B. ein Terroranschlag in Israel. Das ist spekulativ. Wir müssten dann abwarten, wer genau dahinter steht. Stand jetzt, wenn sich die Seiten daran halten, gehe ich davon aus,

Speaker 1: dass diese 6-wöchige Waffenruhe zunächst mal hält. Christian Lindbad, danke für die Erklärung und Einschätzung. Teil der Vereinbarungen zwischen Israel und der Hamas ist es auch, dass in Gaza mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen gebracht werden. 90% der Bevölkerung leiden dort Hunger. Seit Tagen werden deshalb am Grenzübergang zu Ägypten Lkw mit Lebensmitteln beladen. Vera Rudolph beobachtet das Ganze von Kairo aus. Ich habe sie gefragt, was genau jetzt an Hilfsgüterlieferungen geplant ist.

Speaker 3: Rund 600 Lkw warten im Moment in Rafah auf ihre Einfahrt. Schon heute Vormittag soll der Grenzübergang dann auch für sie wieder öffnen. Der Grenzübergang ist seit rund 8 Monaten dicht. Nachdem israelisches Militär den Philadelphia-Korridor, also die Pufferzone direkt am Grenzübergang, aber auch den Grenzübergang selbst kontrolliert. Laut der UN, du hast es gerade gesagt, leiden mehr als 90% der Bevölkerung im Gazastreifen unter starkem Hunger. Ihre humanitäre Situation hat sich gerade in den Wintermonaten massiv verschlechtert. Laut dem UN-Welternährungsprogramm stehen 80.000 Tonnen an Lebensmitteln, an Hilfsgütern bereit, um in den Gazastreifen wiederzukommen. Laut der UN soll diese Anzahl an Hilfsgütern ausreichen, um etwa mehr als die Hälfte der Bevölkerung für rund 3 Monate zu versorgen. Auch in Arish, die größte Stadt im Norden der Sinai-Halbinsel, dort werden Vorkehrungen getroffen. Am Flughafen kommen Hilfsgüter an von Katar, aber auch von den UN werden auf Lastwagen beladen und zum Grenzübergang nach Haft gebracht. Es ist auch denkbar, und auch da werden entsprechende Vorbereitungen getroffen, dass in Arish in den Krankenhäusern schwer verletzte Palästinenserinnen und Palästinenser in den nächsten Tagen, Wochen aufgenommen werden. Und von dort nach Kairo, aber auch in andere Städte in Ägypten verteilt werden auf andere Krankenhäuser.

Speaker 1: Du hast die Situation in Rafah am Grenzübergang beschrieben. Wie soll das in Zukunft aussehen? Soll Israel sich von dort zurückziehen?

Speaker 3: Dieser Rückzug ist wohl schon schrittweise im Gange, so heißt es in arabischen Medien. Das heißt, dass das israelische Militär sich wohl schon aus dem Philadelphia-Korridor etwas zurückzieht vom Grenzübergang Rafah. Denn auch das ist eine Bedingung, die auf die Ägypten hingedrängt hatte schon vorab. Da hat es Anspannung gegeben. Das Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel war belastet, weil Israel diesen Grenzübergang besetzt hatte. Und es ist so, dass Unterhändler aus Katar, aus den USA, aber auch aus Ägypten sich bereits am Freitag hier in Kairo getroffen hatten, um ein Operationszentrum einzurichten. Ein Operationszentrum, das in Zukunft eine Wächterrolle einnimmt, den Deal überwacht, die Einhaltung des Deals überwacht, aber auch Hilfslieferungen beschleunigen soll. Auch dieses Operationszentrum tagt heute Morgen hier in Kairo. Es ist auch so, dass es in Zukunft sein könnte, dass es wieder eine EU-Grenzschutzmission gibt, die OIBAM-Mission. Die war bereits 2005 aktiv am Grenzübergang Rafah. Dann 2007, als die Hamas die Macht übernommen hatte, wurde die Mission auf Eis gelegt. Und es hieß eben schon vergangenen Sommer von Außenministerin Baerbock, aber auch von der EU selbst, dass man eben, sobald eine gewisse Sicherheit wiederhergestellt werden würde, eben auch bereit sei, wieder aktiv zu werden und am Grenzübergang Rafah mitzuhelfen, auch Grenzschützer auszubilden und letztlich auch die Grenze zu sichern.

Speaker 1: Vera Rudolph, danke erst mal für diese Erklärung und Einschätzung nach Kairo. Und wir wollen das Thema jetzt noch weiter vertiefen mit Spente Scheller, Politikwissenschaftlerin und Nahostexpertin von der Heinrich-Böll-Stiftung. Hallo Frau Scheller. Ziel der israelischen Armee war es ja, die Hamas zu zerschlagen. Ist das gelungen?

Speaker 4: Wenn wir auf die Führungsspitze schauen, dann ist hier wirklich klar, sowohl der Anführer als auch die Drahtzieher des 7. Oktobers sind getötet worden. Und ich denke, dass auch die Meldungen der israelischen Armee über zahlreiche weitere Kämpfer zeigen, die Hamas ist sehr stark geschwächt. Zerschlagen können wird man eine so große und auch so verzweigte Struktur wahrscheinlich nicht, denn sie ist ja nicht ausschließlich eine Terrororganisation. Sie ist auch eine politische Partei. Sie ist auch diejenige, die sehr viele Sozialleistungen im Gazastreifen angeboten hat, um sich zu schützen. Deswegen denke ich,

Speaker 1: dieses Ziel ist eigentlich gar nicht erreichbar. Heißt also auch,

Speaker 4: man kann diesen Konflikt nicht militärisch lösen? Allein militärisch sicherlich nicht. Selbstverständlich hat Israel sich hier in eine bessere Position gebracht durch diese Schwächung. Aber ich denke, ohne politische Verhandlungen wird man auf jeden Fall weder einen Zugewinn der Sicherheit Israels noch ein Selbstbestimmungsrecht der PalästinenserInnen hier erwirken können.

Speaker 1: Lassen Sie uns noch mal gemeinsam analysieren, warum es überhaupt zu diesem Krieg gekommen ist. Gab es den tatsächlich auch aus innenpolitischen Gründen? Das würde ich so nicht sagen.

Speaker 4: Ich denke, so wie er geführt worden ist und wann er geführt worden ist, das ist ganz klar durch die Anschläge der Hamas, durch die terroristischen Übergriffe am 7. Oktober 2023 bedingt. Allerdings denke ich, die Art der Kriegsführung wirft durchaus Fragen auf. Das war eine Bekundung der Mitglieder des Kabinetts von Benjamin Netanjahu und ihm selbst. Deswegen denke ich, vielleicht wäre er sonst anders geführt worden und vielleicht auch mit klareren Zielen. Denn jenseits dessen, was Sie genannt haben, Zerschlagung der Hamas, war ja sehr wenig zu vernehmen. Wie will man aus diesem Krieg hinaus in eine Situation, die dauerhafte Stabilität und Sicherheit gewährt?

Speaker 1: Jetzt verzögert sich die Waffenruhe ja noch ein bisschen. Oder sie hat sich zumindest verzögert. Wir hoffen, dass sie heute noch in Kraft tritt. Könnte jetzt der Staat zu einer friedlichen Lösung sein?

Speaker 4: Ich denke, von einer Lösung sind wir noch sehr weit entfernt. Das Vertrauen zwischen den beiden Kriegsparteien ist außerordentlich gering, auch verständlicherweise. Deswegen denke ich, wir sind hier ganz am Anfang. Aber eine Feuerpause, eine Verbesserung der dramatisch schlechten humanitären Lage in Gaza, die Rückkehr der Geiselzieher in Familien, das wäre auf jeden Fall ein 1. Schritt, um dann auch über weitere Szenarien nachdenken zu können. Jetzt ist ja auch erst die 1. Phase einer Waffenruhe. Das Ganze soll sich ja über mehr als 120 Tage hinstrecken.

Speaker 1: Wie stark hat dieser über Monate andauernde Krieg auch beide Seiten, beide Fronten verhärten lassen, dass man sich noch mehr hasst gegenseitig?

Speaker 4: Das ist sicherlich ein Element, das wir hier beobachten werden. Gleichzeitig aber denke ich, es ist auch klar für Gaza, für die Bevölkerung, so kann es nicht weitergehen. Gleichzeitig ist auch die israelische Armee sehr stark gebunden gewesen, sehr stark auch gefordert, dadurch, dass sie auch im Libanon Krieg geführt hat. Auch hier sind die Ressourcen Israels nicht unbegrenzt. Dementsprechend glaube ich, dass vielen der Direktbeteiligten hier klar ist, sie müssen andere Wege finden,

Speaker 1: um auch ein Miteinander irgendwie zu arrangieren. Nun ist der Konflikt zwischen Israel und der Hamas auch immer eine internationale Angelegenheit. Insbesondere die USA spielen eine Rolle. Was ändert daran, dass Trump jetzt der nächste Präsident der USA wird?

Speaker 4: Zunächst schreibt er sich ja auf den eigenen Zettel, dass er jetzt derjenige ist, der diese Waffenruhe überhaupt ermöglicht hat. Genau die gleichen Vereinbarungen lagen ja schon vor ungefähr einem Jahr auf dem Tisch. Nun kommt er und setzt es durch. Ich denke, das ist klar, dass er hier einen Vorteil hat, weil die israelische Regierung und Hamas wissen, er wird bleiben. Die nächsten Jahre werden sie mit ihm zu tun haben. Aber alles, was danach käme, was Trumps Politik zuvor nicht als sehr zielgerichtet und strategisch gesehen haben, also etwas, wo dann auch der lange Atem gefehlt hat, um einst groß formulierte Ziele umzusetzen.

Speaker 1: Wie sehr kratzt das Ganze aber jetzt auch an Netanyahu und seiner Regierung? Da bröckelt es ja jetzt schon, nachdem diese Waffenruhe in Kraft treten soll heute Nacht. Ist das Donald Trump am Ende, egal, was mit Netanyahu passiert?

Speaker 4: Ich denke, für Trump ist das Wichtigste, sein eigener Anteil und dass er sich hier wirklich rühmen kann, ein wichtiges Abkommen zustande gebracht zu haben. Aber für Netanyahu ist klar, er steht unter Druck. Druck der USA, die eben sehen wollen, dass dieser Deal funktioniert. Druck durch die eigenen Kräfte, die zum Teil sehr extremistisch sind. Eben diejenigen, die sagen, sie werden jetzt aus dem Kabinett austreten. Aber wir dürfen auch nicht die Tausenden von Menschen vergessen, die auf der Straße in Israel stets protestiert haben dafür, dass die Geiseln nach Hause kommen. Das ist etwas, wo wir denken, innenpolitisch könnte hier sich auch noch einiges zu seinen Gunsten bewegen.

Speaker 1: Lassen Sie uns mal ganz optimistisch nach vorne schauen. Wenn wir jetzt sagen, die Waffenruhe hält und wir dann weitergucken, wie es vorangehen könnte in diesem Konflikt. Kann es einen Wiederaufbau des Gazastreifens ohne eine Zwei-Staaten-Lösung geben? Das ist fraglich.

Speaker 4: Ich denke, dass wir einiges an Wiederaufbau dringend benötigen werden. Gerade die Krankenhäuser, die sehr stark getroffen worden sind. Zivile Infrastruktur, die auch ermöglicht, dass gewissermaßen die Lebensbedingungen durch den Gazastreifen selbst gewährleistet können. Dass hier Nahrungsmittel angebaut und verarbeitet werden können. All das wird notwendig sein, ob es nun eine langfristige, tatsächliche Friedenslösung gibt oder nicht. Diese ist so komplex. Das ist ein Konflikt, der wirklich schon seit Jahrzehnten besteht. Da gibt es keine einfachen Lösungen. Deswegen denke ich, wir werden uns hier alle mit Geduld wappnen müssen.

Speaker 1: Bente Scheller von der Heinrich-Böll-Stiftung, vielen Dank.

Speaker 4: Ich danke Ihnen.

Speaker 1: Es ist wohl kaum vorstellbar, was die israelischen Geiseln in der Gefangenschaft durchmachen mussten. Eine, die darüber berichten kann, ist Daniel Aloni. Sie gehört zu den Geiseln, die bereits im vergangenen November freigelassen wurden. Zusammen mit ihrer Tochter hat sie das Grauen überlebt. Aber die Zeit der Gefangenschaft hat Spuren hinterlassen.

Speaker 5: Wir wussten, dass das das Ende ist. Und ich erinnere mich, dass ich mich von meiner Tochter verabschieden musste und sie sehr, sehr fest umarmt habe. Ich habe zu ihr gesagt, es tut mir leid, meine Liebe, aber wir werden jetzt sterben. Wir sind in Jaos. Wir ersticken. Es sind Terroristen im Haus. Mama stirbt nicht.

Speaker 1: Hilfe.

Speaker 5: 7. Oktober, 6.30 Uhr. Hermaskämpfer stürmen die Kibbutzim an der Grenze zum Gazastreifen. Daniel Aloni, ihre 5-jährige Tochter, ihre Schwester, deren Mann und ihre 3-jährigen Zwillingsmädchen suchen Schutz im hauseigenen Bunker in Jaos. Nur eine Tür trennt uns von den Terroristen. Terroristen brechen in die Häuser ein. Daniels Schwager David hält die Tür zu, die ist von innen nicht verschließbar. Also stand er etwa 4 Stunden lang in derselben Position da und hat die Tür nicht einmal losgelassen. Auch dann nicht, als die Terroristen versuchen, die Tür aufzureißen. Als sie schreien, dass die Familie rauskommen soll. Auch dann nicht, als sie ablassen und das Haus anzünden und der Rauch durch die Tür kommt. Sie wollen raus, auch wenn sie glauben, draußen erschossen zu werden. Daniel und ihre Schwester ziehen sich über den Boden zum Fenster, öffnen es. Hermaskämpfer ziehen sie raus, packen sie auf Jeeps und fahren los. Ich habe mich über sie gebeugt und sie umarmt. Und dann wurde mir klar, ich und die kleinen Mädchen werden nach Gaza entführt. 37 Tage war Daniel mit ihrer Tochter in den Tunneln, den Rest der Zeit in einer Wohnung. Wir konnten nicht mehr sprechen, nur flüstern. Zu wenig Essen, zu wenig Luft. Aber dann kommt dieser eine Tag nach ca. 2 Wochen. Daniel hat eine Panikattacke. Meine Tochter hat das mitbekommen und andere Geiseln mussten sie wegbringen. Weg von mir. Ab jetzt, wenn ich das Gefühl habe, durchzudrehen, dann nur nachts, wenn sie schläft. Wenn ich fühle, dass ich verrückt bin, kann ich nicht mehr. In einem Deal im November werden 105 Geiseln entlassen. Daniel, ihre Tochter, hier im Auto und ihre Schwester mit den Zwillingen.

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