Speaker 1: Knapp drei Wochen sind vergangen nach dem Anschlag in Magdeburg. Eine weitere Frau ist ja vor wenigen Tagen gestorben, das sechste Todesopfer. Kurz vor Weihnachten war ein 50-Jähriger aus Saudi-Arabien mit einem Auto gezielt in die Menschen auf dem Weihnachtsmarkt gefahren. Fünf Menschen starben am Tag des Anschlags, etwa 300 wurden verletzt. Ein furchtbares Ereignis, auch für die, die die dramatischen Stunden vor Ort miterlebt haben.
Speaker 2: Panik und hunderte Verletzte auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt. Rettungsdienste im Dauereinsatz. Die Bilder vom Abend des 20. Dezember sind noch immer präsent.
Speaker 3: Es gab auch Gerüchte am Anfang, dass es über 20, 30 Tote waren. Man ist ein bisschen planlos dann in das Uniklinikum gefahren.
Speaker 2: Firat Tazkaya ist Arzt im praktischen Jahr in Magdeburg. Auf TikTok postet er normalerweise Videos über Fakten und Mythen in der Medizin. Am Anschlagstag teilt der 24-Jährige, was er und seine Kolleginnen und Kollegen am Uniklinikum Magdeburg erleben.
Speaker 3: Es war ein Riesenchaos. Menschen wurden reanimiert, andere hatten eine Platzwunde, andere hatten eine Beckenfraktur. Und dann ganz viele Patienten, die mit CT kamen, wo wir ausschließen mussten, dass da irgendwie eine Fraktur ist, eine Gehirnblutung. Also fatal.
Speaker 2: Sechs Menschen sterben bei dem Anschlag, etwa 300 werden verletzt. Der Täter Taleb A. Wenige Minuten nach dem Anschlag wird der 50-Jährige aus Saudi-Arabien verhaftet. Er arbeitete zuletzt als Arzt in Bernburg. In sozialen Netzwerken fiel er als Islamgegner auf, sympathisierte mit der AfD und kritisierte den deutschen Staat. Immer wieder postete er auch Gewaltfantasien. Mehrfach erhielten die Behörden Hinweise. Hätte der Anschlag verhindert werden können, wenn sie genauer hingesehen hätten? Hat es Mängel beim Sicherheitskonzept des Weihnachtsmarkts gegeben? In Magdeburg mischt sich nach dem Anschlag unter die Trauer auch Wut. Das treibt auch Fira Tazkaya um.
Speaker 3: Als Angehöriger von einem Patienten, der vielleicht verstorben ist, der schwer verletzt ist, der jetzt sein Leben lang mit Behinderungen leben muss, ist man natürlich wütend. Und man möchte in so einer Situation selbstverständlich irgendjemandem die Schuld geben. Da verstehe ich auch, dass man verzweifelt ist. Aber ich glaube, es ist nicht die Lösung, auf die Straßen zu gehen und gegen Ausländer zu demonstrieren. Und ich glaube, es ist auch nicht die Lösung, Menschen mit ausländischen Aussehen einfach anzugreifen.
Speaker 2: Die mobile Opferberatungsstelle Magdeburg zählt in den Wochen direkt nach dem Anschlag eine rassistische oder rechte Gewalttat pro Tag. Im Januar 2023 war es eine pro Woche. In Magdeburger Stadtteil Reform tauchen beispielsweise auch Briefe wie dieser auf. Deutschland den Deutschen. Ausländer raus. Ihr Dreckvolk.
Speaker 3: Auch meine Familie macht sich da Sorgen. Auch wir überlegen immer zweimal, sollen wir jetzt rausgehen? Wir hatten teilweise Veranstaltungen, die wir auch abgesagt haben, jetzt hier in der Moschee zum Beispiel, weil es einfach sicherer war, dachten wir.
Speaker 2: Drei Minuten hat der Anschlag gedauert. Minuten, die Magdeburg verändert haben. Ob am Ende noch mehr Misstrauen und Hass bleiben oder die Stadtgesellschaft näher zusammenrückt, scheint noch nicht entschieden.
Speaker 1: Was dieser Anschlag mit den Menschen gemacht hat, darauf haben wir schon einige Antworten bekommen in diesem Beitrag. Aber es gibt natürlich noch mehr Aspekte. Deshalb haben unsere Kolleginnen und Kollegen vom Mitteldeutschen Rundfunk weiter gefragt. Rund 23.000 Menschen aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen haben sich am aktuellen Meinungsbarometer vom MDR-Frag beteiligt. Meine Kolleginnen und Kollegen, Claudia Reiser, die wartet da schon die ganze Zeit. Claudia, wie geht es denn den Menschen nach dem Anschlag? Was hat das mit ihnen persönlich gemacht, mit ihrem Sicherheitsgefühl zum Beispiel?
Speaker 4: Ja, bei vielen hat dieser Anschlag Spuren hinterlassen und das zieht sich tatsächlich durch alle Bevölkerungsgruppen. Ganz grundsätzlich sagt rund jeder zweite MDR-Frag-Teilnehmer, dass er sich auf öffentlichen Veranstaltungen derzeit eher unsicher fühlt. Und dabei spielt die unmittelbare regionale Nähe zum Anschlagsort in Magdeburg offenbar nochmal eine zusätzliche Rolle. Während nämlich in Sachsen-Anhalt selbst, also in dem Bundesland, in dem der Anschlag verübt wurde, 56 Prozent von einer Unsicherheit auf öffentlichen Veranstaltungen sprechen, sind es im restlichen Mitteldeutschland mit 48 Prozent doch einige Prozentpunkte weniger. Ja, und damit Sie die Ergebnisse gut einordnen können, auch heute wieder der Hinweis. MDR fragt ist ein wissenschaftlich begleitetes, aber kein streng repräsentatives Angebot des MDR. Anstatt auf Zufallsstichproben setzen wir auf eine möglichst hohe Teilnehmerzahl. Und in diesem Fall haben eben rund 23.000 Menschen ihre Meinung mit uns geteilt, wodurch wir ein aussagekräftiges Stimmungsbild haben, hier aus der Region im Osten Deutschlands.
Speaker 1: Hat diese Unsicherheit Auswirkungen auf das Verhalten der Teilnehmenden? Meiden Sie nun öffentliche Veranstaltungen?
Speaker 4: Ja, einige MDR-Fragteilnehmer tun das tatsächlich. Das konnten wir an den Kommentaren ablesen. Da schreibt zum Beispiel ein Teilnehmer aus Chemnitz, ich meide Plätze mit großen Menschenmengen, wenn ich kann. Und ein Teilnehmer aus dem Landkreis Leipzig ergänzt ganz grundsätzlich, man beobachtet seine Umgebung schon etwas intensiver, aber absolute Sicherheit gibt es eh nicht. Ja, und gerade in diese letztgenannte Richtung haben uns viele Kommentare erreicht. Mir kann überall ein Unglück passieren, die Wahrscheinlichkeit, einem Terrorakt zum Opfer zu fallen, hat sich in den letzten Jahren gefühlt vervielfacht, liegt aber für den Einzelnen immer noch im vernachlässigbaren Bereich, schreibt etwa ein Teilnehmer aus dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Also rational bleiben und den Terror nicht siegen lassen, auch wenn es mitunter schwer fällt, das ist das Credo von vielen MDR-Fragteilnehmern.
Speaker 1: Als mögliche Konsequenz des Anschlags wurde ja eine Ausweitung der Polizeibefugnisse diskutiert, wie stehen die MDR-Fragteilnehmenden dazu?
Speaker 4: Na genau, man müsste dann ja noch schauen, welche Maßnahmen zieht man jetzt konkret heran, aber ganz grundsätzlich würden eine Ausweitung der Polizeibefugnisse die meisten gut finden. 83% haben so geantwortet, 12% lehnen das hingegen ab. Die größte Zustimmung gibt es übrigens auch da wieder im unmittelbar betroffenen Bundesland, nämlich in Sachsen-Anhalt, aber die Einstellung zu den Polizeibefugnissen, die ist offenbar auch eine Frage des Alters. Inwiefern? Na wir können mal auf die Zahlen aufgeschlüsselt nach Altersgruppen schauen, da zeigt sich dann nämlich, je älter die Teilnehmer, umso eher sprechen sie sich für eine Ausweitung der Polizeibefugnisse aus. Das nimmt also mit jeder Altersgruppe zu, bei den über 65-Jährigen ganz rechts im Bild sind es dann nämlich 89%, wohingegen es bei den unter 30-Jährigen ganz links 74% sind. Ja und spannend ist auch, dass sich mehr Frauen als Männer umfangreichere Möglichkeiten für die Polizei wünschen.
Speaker 1: Und gibt es weitere Konsequenzen, die in den Augen der Teilnehmenden aus dem Anschlag gezogen werden sollten?
Speaker 4: Ja wir können mal auf die drei Aspekte schauen, die darüber hinaus die größte Zustimmung erfahren. Das ist zuvorderst eine strengere Überwachung von Gefährdern. Die würden sich 78% wünschen, gefolgt von einem besseren Informationsaustausch, zum einen sowohl innerhalb Deutschlands zwischen der Polizei von Bund und Ländern, zum anderen aber auch mit internationalen Sicherheitsbehörden. 76% beziehungsweise 71% erachten diese Punkte für wichtig. Ja und die, die sind ja auch schon lange in der Diskussion.
Speaker 1: Und stehen wir ja kurz vor der Bundestagswahl, finden es die Teilnehmenden denn richtig, wenn die Aufarbeitung des Anschlags und die Konsequenzen zentrales Wahlkampfthema werden?
Speaker 4: Ja, ein Großteil tut das durchaus. 64%, also knapp zwei Drittel, finden das legitim und richtig, wenn das so passiert. 29% stimmen dem eher nicht zu. Ja und viele, die halten es sogar für zwingend, dass dieses Thema den Wahlkampf bestimmt. So schreibt etwa ein Teilnehmer aus Erfurt, innere Sicherheit sollte immer eines der zentralen Themen sein. Ja und in den Augen der MDR-Fragteilnehmer gibt es bei diesem Thema auch viel zu tun.
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